Katharina auf Zeit Online: Keine Klage-Privilegien für Unternehmen

Hinter dem harmlosen Wort ‚Investitionsschutz‘ versteckt sich eine gefährliche Klausel, die als Bestandteil vieler Freihandelsabkommen zu Problem führt. Im Interview mit Zeit Online beziehe ich heute Stellung zum Vorhaben der EU-Kommission, so eine Klausel auch in das transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) aufzunehmen:

ZEIT ONLINE: Die EU verhandelt schon länger mit den USA über ein Freihandelsabkommen. Eine Klausel darin ruft nun Kritik hervor: Es geht um Sonderrechte für Konzerne, wenn diese sich im Ausland ansiedeln. Was genau ist damit gemeint? 

Katharina: Gemeint ist der sogenannte Investitionsschutz. Abkommen dieser Art sind nicht neu, die gibt es bereits seit den fünfziger Jahren. Eigentlich wurden solche Klauseln in Verträgen entwickelt, um Industrieländer einen Schutz zu bieten, wenn sie sich in einem Entwicklungs- oder Schwellenland ansiedeln, wo das Rechtssystem womöglich nicht besonders gut ausgebildet ist. Konkret sollte das etwa deutsche Unternehmen vor einer Enteignung schützen. Dazu wurde das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) mit Sitz in Washington gegründet. Das ist eine spezielle Schiedsstelle, bei der Unternehmen wegen Enteignung gegen Staaten klagen können. 

ZEIT ONLINE: Nun sind die USA kein Entwicklungsland. Wieso sollte es einen solchen Investitionsschutz in einem Abkommen mit der EU geben? 

Katharina: Das Problem ist, dass die Bestimmungen dieser Klausel in den vergangenen Jahren sehr kreativ interpretiert wurden. In den USA gibt es große Anwaltskanzleien, die gezielt auf Unternehmen zugehen und diesen sagen: Seht her, hier gibt es eine Möglichkeit, gegen das Gastgeberland zu klagen. Wir machen das für Euch und tragen auch das Prozessrisiko. Sollte die Klage erfolgreich ausgehen, erhalten diese Kanzleien einen großen Teil der Schadensersatzsumme. Das ist ein eigenes Geschäftsmodell. 

ZEIT ONLINE: Warum können Unternehmen auf Schadenersatz klagen? 

Katharina: Gegen Deutschland etwa klagt momentan das schwedische Unternehmen Vattenfall, weil ihm durch die Energiewende ein großer Schaden entstanden sei. Die geforderte Summe liegt bei vier Milliarden Euro. Möglich ist das, weil manche Klauseln für Investitionsschutz sehr unspezifisch formuliert sind. Unternehmen sollen etwa eine „faire und gerechte Behandlung“ in dem Gastgeberland erfahren. Das klingt erst einmal recht positiv, gibt aber viel Spielraum für solche Klagen. Mehr als 70 Prozent der Klagen, die im Rahmen von Schiedsgerichtsverfahren von US-amerikanischen Unternehmen gewonnen wurden, basieren auf dieser Bestimmung. 

ZEIT ONLINE: Könnten solche Bestimmung nicht auch die Politik davon abhalten, der Wirtschaft zu strenge Regeln zu geben? 

Katharina: Das ist genau, was wir befürchten: Dass sich Staaten künftig abschrecken lassen, wenn sie regulieren wollen, weil es schnell zu sehr teuren Klagen der Unternehmen kommen kann. Wir Grünen bezweifeln außerdem, dass ein solches Abkommen gerade zwischen der EU und den USA überhaupt notwendig ist. Über die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen in den USA kommen aus der EU – und umgekehrt. Das funktioniert ohne Investitionsabkommen, weil beide Seiten ausreichend entwickelte Rechtssysteme haben. Das Vertrauen ist also da. 

ZEIT ONLINE: Warum bringt die EU-Kommission dann trotzdem eine solche Klausel in den Vertrag ein? 

Katharina: Es könnte sein, dass die EU-Kommission Schwierigkeiten bekommt, vor anderen Ländern zu rechtfertigen, dass sie für die USA eine Investitionsschutz-Klausel nicht braucht, für andere Länder aber schon. Wenn man dann auf Indien, China oder ein afrikanisches Land zugeht, ist das vor allem ein diplomatisches Problem. 

ZEIT ONLINE: Was fordern Sie also? 

Katharina: Wir sagen, das ist nicht notwendig. Die Klausel sollte gestrichen werden.  

 

Das Interview findet ihr auch direkt bei Zeit Online.

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