Menschen schützen, nicht Investitionen!

Für die Öffentlichkeit überraschend hat sich EU Handelskommissar de Gucht diese Woche mit einem Schreiben an die Wirtschafts- und Handelsminister der EU gewandt. De Gucht teilte mit, dass aus Sicht der Kommission eine öffentliche Debatte zu Teilen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen EU und USA (TTIP) notwendig sei. Hierbei geht es um die höchst umstrittene Investitionsschutzklausel (Investor-to-State Dispute Settlement).

Bisher gilt die Maxime: Alles bleibt im Hinterzimmer. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Es gelangen nur vage Eckpunkte ans Tageslicht. Einer dieser Punkte ist das Ziel, eine Investor-Schutz-Klausel in den Vertragstext aufzunehmen. Die grüne Bundestagsfraktion forderte schon im Sommer letzten Jahres die Bundesregierung auf, diesem Verfahren eine klare Absage zu erteilen. Zum einen ist es inakzeptabel, dass ein solch folgenreiches Abkommen wie das TTIP unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorangetrieben wird. Und zum anderen zeigt die Erfahrung, dass Investor-Schutz-Klauseln immer wieder von Konzernen missbraucht werden, um beispielsweise Gesetze zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern entweder auszuhebeln oder sogar komplett zu verhindern. In beiden Fällen maximieren sie ihre Profite dabei auf Kosten der Allgemeinheit.

Nun hat EU-Kommissar de Gucht offenbar eingesehen, dass seine Geheimhaltungstaktik nicht zum Ziel führt. Am Dienstag kündigte er deshalb an, ab März in einen dreimonatigen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu eben dieser Frage zu treten: Sollen Konzerne das Recht bekommen, Staaten zu verklagen und damit demokratisch legitimierte Gesetze und Regeln durch die Hintertür auszuhebeln? Unsere Antwort war und ist: Investitionsschutz öffnet dem Missbrauch durch Konzerne Tür und Tor. Eine Klausel, die unsere Umwelt- und Sozialstandards gefährdet, darf nie Bestandteil eines Handelsabkommens zwischen der EU und den USA werden. Unternehmen dürfen nicht das Recht haben, sinnvolle Gesetze zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger an den Parlamenten vorbei zu blockieren. Beispiele dafür gibt es leider weltweit, etwa in Kanada, in Chile oder Australien.

Investitionsschutzabkommen sind Teil vieler internationaler Handelsabkommen. Sie werden vor allem dann genutzt, wenn es Unsicherheit in den Rechtssystemen der am Abkommen beteiligten Staaten gibt – das heißt, wenn ausländische Unternehmen die berechtige Sorge haben, dass ihre Investitionen durch unfaire Regelungen gefährdet werden. Sie sollen das letzte Mittel für Unternehmen sein, wenn der Rechtsweg vor nationalen Gerichten ausgeschöpft ist. So eine Unsicherheit existiert im transatlantischen Wirtschaftsverkehr nicht. Im Gegenteil, wenn es um die Spielregeln für Unternehmen geht, sind die EU und die USA eng verflochten. Zölle sind mit im Schnitt 3% bereits jetzt enorm niedrig. Über 75.000 Firmen sind auf beiden Seiten des Atlantiks registriert. Beide Seiten verfügen über etablierte, klar strukturierte und verlässliche Rechtssysteme. Und beide räumen Unternehmen schon jetzt umfangreiche Klagemöglichkeiten im Falle von staatlicher Benachteiligung ein.

Es gibt deshalb wenige Gründe, Konzernen ein so scharfes Schwert in die Hand zu geben. Erfahrungen haben uns gezeigt, dass sie es immer wieder dazu missbrauchen, Lobbyinteressen durchzusetzen und massiv Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Ein offenes Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern und der EU-Kommission zu diesem Thema ist deshalb überfällig. Es darf allerdings kein Feigenblatt bleiben. Die aktuelle Verhandlungsunterbrechung könnte eine Chance darstellen für einen echten Neustart bei den TTIP Verhandlungen. Mit wirklicher Transparenz und demokratischer Kontrolle im gesamten TTIP Verhandlungsprozess, nicht nur partiell an einer Frage für einen begrenzten Zeitraum. Und mit vorher klar festgelegten politischen Zielen aber auch Grenzen eines solchen Abkommens.

Die Aufgabe der EU und unsere Aufgabe ist es vor allem, Menschen zu schützen – nicht Investitionen. Wir werden die Kommission beim Wort nehmen und dafür kämpfen, dass europäische Gesetze zum Schutz der Menschen und der Umwelt auch in Zukunft Bestand haben werden.

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