Meine Daten, mein Leben – Datenmacht der Konzerne beschränken!

Meine Daten, mein Leben – Datenmacht der Konzerne beschränken!

V-Antrag für die 40. BDK der Grünen in Münster gemeinsam mit Konstantin von Notz, Malte Spitz, Jan Philipp Albrecht und anderen.

 

Seit Jahren verändern große Internetkonzerne wie Google, Facebook, Amazon und Co. die Art und Weise, wie wir leben und unsere Wirtschaft funktioniert. Sie stellen Geschäftsmodelle in Frage, überspringen mühelos die Grenzen von Märkten und Rechtsordnungen und führen nebenbei noch eine neue Form der Bezahlung ein. Auf dem digitalen Markt wird zunehmend nicht mehr mit Geld bezahlt, sondern mit der Offenlegung unseres (digitalen) Lebens, im Tausch gegen vermeintlich kostenfreie Dienste. Mit diesen Daten und Informationen über unser Alltagsleben verdienen die Unternehmen nicht nur viel Geld, sie werden zum Türsteher eines riesigen Marktes, auf dem sie ihren Wettbewerbern und Kunden Bedingungen diktieren können. Mit Verweis auf die eigene Multinationalität sehen sie sich oftmals nicht an gesetzliche Vorgaben gebunden.

Durch Daten kommen Unternehmen in den Besitz teils sehr persönlicher Informationen. Sie erfahren wo, was und wann wir einkaufen, nach welchen Informationen wir suchen, mit wem wir wie oft kommunizieren und ob wir lieber Aufzug fahren oder Treppen steigen. Durch die Verknüpfung der gesammelten Daten können die Unternehmen Rückschlüsse darüber ziehen, ob jemand gerne Sport treibt, sich gesund ernährt oder was er bzw. sie verdient. All diese Informationen können Unternehmen zu höchst aussagekräftigen Profilen verknüpfen und zu Geld machen. Bisher vor allem durch immer passgenauere Werbung, zunehmend aber auch durch das passende Produkt, individuell zugeschnittene Ansprache oder Preisangebote.

Immer häufiger wird diese – für die Verbraucher*innen meist vollkommen intransparente – Individualisierung auf Basis nicht offengelegter Algorithmen Diskriminierungseffekte mit sich bringen. Wenn jemand auf Grundlage von Big Data einen höheren Preis für ein Produkt zahlen muss, weil er einer bestimmten Religionsgruppe zugehört oder eine bestimmte sexuelle Orientierung hat, ist das ein Eingriff in die Privatsphäre, von dem die Verbraucher*innen noch nicht einmal erfahren. Sie können nicht mehr nachvollziehen, in was für einer Geschäftsbeziehung sie stehen, anders als beim Kauf eines Brotes oder beim Frisör. Es fehlt also eine grundlegende Voraussetzung für einen fairen Deal. Der wahre Preis der Freigabe persönlicher Daten und Informationen wird sich so für die Verbraucher*innen erst in einigen Jahren zeigen.

Das nehmen wir nicht einfach hin. Datenschutz und faire Wettbewerbsregeln gelten auch für die globalen IT-Konzerne. Wir Grünen haben in den letzten Jahren immer wieder Vorschläge gemacht, wie man fairen und gleichberechtigten Wettbewerb im digitalen Zeitalter gestalten könnte. Wir stehen ein für Vielfalt, Offenheit und wirkliche Verbrauchersouveränität und wollen Markt- und Datenmacht global dort begrenzen, wo die wirtschaftliche, politische oder persönliche Freiheit Schaden nimmt und Geschäftsmodelle an Grenzen der Sittenwidrigkeit stoßen – in der digitalen Wirtschaft und darüber hinaus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und auch EU- Digitalkommissar Günther Oettinger haben es jedoch viel zu lange verpasst, hier klare Grenzen aufzuzeigen. Dies gilt vor allem für datenschutzrechtliche Vorgaben. Aber auch wettbewerbs- und fusionsrechtliche Reformen wurden verschlafen, um die Kartellbehörden angemessen für neue Formen der Marktkonzentration zu rüsten. Immer wieder mussten Gerichte als Korrektiv der aus einer falsch verstandenen Wirtschaftsnähe agierenden, regulierungsscheuenden Bundesregierung und EU-Kommission eingreifen. Ihnen verdanken wir es, dass Grundrechten Geltung verschafft wurde und zumindest ein Mindestmaß an Rechtssicherheit für die Unternehmen besteht. Statt auf Wettbewerb, setzen Merkel, Gabriel und Oettinger weiterhin auf große Dinosaurier, statt auf wirksamen Datenschutz setzen sie auf Datenkapitalismus. Doch was schon im letzten Jahrhundert nicht funktionierte, funktioniert auch nicht in der modernen, digitalen Welt.

Aus unserer Sicht braucht es ein Wettbewerbs- und Datenschutzrecht, das den besonderen Herausforderungen der Digitalwirtschaft gerecht wird. Das gilt insbesondere für Märkte, die von großen Plattformen wie Facebook dominiert werden. Hier wirken so genannte „Netzwerkeffekte“. Die Plattformen sind umso attraktiver, je mehr Freunde und Bekannte dort sind. Irgendwann ist die Plattform so groß, dass ein Wechsel nicht mehr sinnvoll ist. Damit wird der Wettbewerb nahezu ausgeschaltet und die Marktmacht des Unternehmens gegenüber den Verbraucher*innen ist extrem groß. Ähnliches gilt für Produkt- und Preisvergleichsportale – auch hier begünstigt eine bestimmte Größe und Anzahl an Produkten – seien es Flüge oder Hotels – die Qualität des Suchergebnisses. Gleichzeitig bleibt für die Verbraucher*innen oftmals intransparent, nach welchen Kriterien Produkte oben gelistet werden und aus welchem Pool von Produkten gefischt wird. Wo solche Intransparenz fairem Wettbewerb schadet, muss die Politik Vorgaben machen. Und wo bestimmte Plattformen eine „Infrastruktur des Internets“ darstellen, müssen wir darüber diskutieren, ob eine staatliche Regulierung notwendig ist.

Doch auch etablierte Unternehmen treten immer stärker als datenhungrige Akteure auf, seien es Versicherungen, Finanzdienstleister, Telekommunikationsanbieter oder Autobauer. Die Grenzen zwischen Internetwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen verschwimmen zunehmend, viele neue Geschäftsmodelle bauen auch auf Geschäften außerhalb des Internets auf. Entscheidend ist, wer seinen Datenschatz zum Ausbau der eigenen Marktmacht und der Eroberung neuer Märkte nutzen kann.

Die Politik ist hier gefordert. Sie kann und sie muss einen fairen Ausgleich der Interessen schaffen.

 

Moderner Datenschutz sichert die Ressource Freiheit

Für einen faireren Ausgleich zwischen den Interessen der Verbraucher*innen und den Interessen der Wirtschaft sorgt die europäische Datenschutz-Grundverordnung. Sie ist ein Erfolg grüner Politik. Sie gilt es nun entschlossen in nationales Recht umzusetzen und bestehende Handlungsspielräume zu nutzen, zum Beispiel beim Schutz von Arbeitnehmer*innen.

Denn mit der Datensammelwut betreiben sowohl der Staat als auch einige Unternehmen seit Jahren Raubbau an der Ressource Freiheit. Die Bundesregierung untergräbt grundlegende, mühsam erkämpfte Prinzipien des Datenschutzrechts und fordert beispielsweise, das Prinzip der Datensparsamkeit aufzugeben – ohne irgendeine Unterscheidung bezüglich der Datenart vorzunehmen. So untergräbt sie das grundrechtlich garantierte Recht der informationellen Selbstbestimmung und die Entscheidung der Bürger*innen, was mit ihren persönlichen Daten geschieht, wer sie sammelt, speichert, weiterverarbeitet, verknüpft und an Dritte weitergibt. Diesem Ausverkauf an Bürgerrechten stellen wir uns als Bündnis 90/Die Grünen auch weiterhin mit aller Entschlossenheit entgegen und kämpfen für die Souveränität der Verbraucher*innen beim Umgang mit ihren Daten und Informationen. Wenn meine Daten und Informationen erst einmal in den Datenbanken großer Unternehmen in Nicht-EU-Staaten gespeichert, gerastert und zu höchst aussagekräftigen Profilen verknüpft sind, haben wir die Kontrolle hierüber bereits verloren. Dies gilt umso mehr, als dass eine maßgebliche Erkenntnis der Aufklärung um die Veröffentlichungen von Edward Snowden die ist, dass diese Datenbestände oftmals auch Geheimdiensten offenstehen. Die vormals geltende Trennung von privaten und staatlichen Datensammlungen gilt damit heute in der Realität nicht mehr. Die informationelle Selbstbestimmung muss jetzt zurückerkämpft werden!

Daher müssen wir jetzt auf allen politischen Ebenen entschlossen handeln und immer weiter ausufernden Datensammlungen einen Riegel vorschieben. Für uns ist innovativer Daten- und Verbraucherschutz zur Sicherung der Ressource Freiheit genauso wichtig wie Umweltschutz zur Sicherung der natürlichen Ressourcen. Spätestens wenn unser Solidarsystem bedroht wird, darf die Bundesregierung nicht länger tatenlos zusehen. Facebook hat ein Patent angemeldet, um die Kreditwürdigkeit von Menschen auf Grundlage ihrer Aktivitäten im sozialen Netzwerk zu bewerten. Autoversicherer bieten heute schon Verträge an, wo das individuelle Fahrverhalten als Grundlage dient den Preis festzusetzen. Krankenversicherer subventionieren Healthtracker durch Zusatz- oder Bonusprogramme, damit sie die Daten der Kund*innen sammeln können. Verlierer dieser Entwicklung drohen die zu werden, die nicht so leistungsfähig sind wie andere oder diejenigen, die ihre informationelle Selbstbestimmung hochhalten. Wo Risiken nicht mehr solidarisch übernommen, sondern künftig jedem individuell zugeordnet werden, wird der Schwächere zum Leidtragenden. Dies gefährdet unser hart erkämpftes gesellschaftliches Solidarsystem und nicht weniger als den sozialen Zusammenhalt.

Ein effektiver Daten- und Verbraucherschutz ist aber auch wirtschaftspolitisch äußerst wichtig. Er schafft gerade für hiesige Unternehmen Rechtssicherheit und die Chance, mit innovativen, datenschutzfreundlichen und sicheren Anwendungen in den vergangenen Jahren massiv verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen. Innovative Datenschutzkonzepte „Made in Germany“ könnten, sofern sie von der Bundesregierung unterstützt würden, drei Jahre nach den ersten Enthüllungen Edward Snowdens, ein wahrer Exportschlager sein. Zudem schafft ein starker Daten- und Verbraucherschutz auch Chancengleichheit zwischen den Unternehmen und verzerrt nicht den Wettbewerb, da alle auf Basis der gleichen Standards und Gesetze ihre Angebote anbieten müssen und sich nicht Kontrollen entziehen können durch die Wahl des Unternehmensstandortes.

 

Das Wettbewerbsrecht braucht ein Update

Das Kartellrecht in der EU und in Deutschland könnte ein scharfes Schwert bei der Durchsetzung der Rechte von Verbraucher*innen sein. Seine originäre Aufgabe ist es, fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen zu garantieren, übermäßige Marktmacht einzuschränken und faire Bedingungen für Verbraucher*innen und Unternehmen zu garantieren. Das traditionelle Kartellrecht ist jedoch für das digitale Zeitalter nur noch bedingt geeignet. Die Bundesregierung hat die Herausforderungen viel zu lange verschlafen. Der neue Entwurf zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geht nun erstmals in die richtige Richtung. Doch die Initiative kommt spät und sie reicht bei weitem nicht aus.

Wenn Fusionen zwischen zwei Giganten wie Facebook und WhatsApp von den Kartellbehörden einfach durchgewunken werden, zeigt dies, dass die Wettbewerbspolitik in Deutschland und der EU dringend reformiert werden muss. Wir Grünen fordern sowohl eine Reform der klassischen Fusionskontrolle, als auch eine Neubewertung von Marktmacht und dessen Missbrauch. Aus unserer Sicht muss auch die in Unternehmen konzentrierte Informations- und Datenmacht als Prüf- und Genehmigungskriterium berücksichtigt werden, sowie der Umgang eines Unternehmens mit diesen Informationen.

Bislang schauen die Kartellbehörden bei Fusionen zunächst vor allem auf die Umsätze, die gerade in der Anfangsphase datenbasierter Dienste sehr gering sein können. Die Fusion von Facebook und WhatsApp lief so unter dem Radar von Bundeskartellamt und EU-Kommission, obwohl der Kaufpreis 19 Mrd. Dollar betrug. Wir Grünen fordern daher, dass bei einer Fusion auch berücksichtigt wird, ob mit einem Unternehmenszusammenschluss Daten und Informationen über die Kund*innen zusammengeführt werden, die zu Wettbewerbsverzerrungen oder Datenschutzproblemen führen können. Auch die Zahl der Nutzer*innen eines Angebots und der Kaufpreis müssen als Prüfkriterien bei Fusionen und für die Bewertung von Marktmacht etabliert werden. Und schließlich muss der Zugang eines Unternehmens zu exklusiven Analysemethoden und Patenten von den Kartellbehörden berücksichtigt werden. Dadurch können Konkurrenten für viele Jahre komplett aus Märkten ausgeschlossen werden – zum Schaden der Verbraucher*innen und des Wettbewerbs.

Woraus sich Marktmacht speist und wie diese missbraucht werden kann, verändert sich im digitalen Zeitalter. Auch hierauf müssen Politik und Wettbewerbshüter reagieren. Bislang heißt Marktmachtmissbrauch vor allem überhöhte Preise oder Knebelverträge für Geschäftspartner. In Märkten, in denen die Kunden im Tausch für ihre Daten und Informationen (nur vermeintlich kostenlose) Dienste erhalten, sind aber auch eine Verschlechterung des Datenschutzes und beschnittene Rechte der Verbraucher*innen ein Missbrauch von Marktmacht. In Folge der Fusion von Facebook mit WhatsApp Ende 2014 kam es Anfang 2015 zu einer Verschlechterung der AGBs von Facebook, ohne dass die EU-Kommission tätig wurde. Auch das Bundeskartellamt prüft erst jetzt, zwei Jahre später, die Verschlechterung der Geschäftsbedingungen, ohne konkreten Bezug zur längst vollzogenen Fusion. Eine Prüfung des Marktmachtmissbrauchs mit Bezug zur Fusion ist jedoch wichtig, denn nur so kann ggf. auch über eine Rückabwicklung der Fusion entschieden werden. Wir Grünen fordern deshalb, dass Qualitätsverschlechterungen für Verbraucher*innen, die aus einer marktbeherrschenden Stellung heraus entstehen, stärker in den Fokus der Kartellbehörden rücken.

Zunehmend stellen wir zudem fest, dass die klassische Marktabgrenzung der Wettbewerbshüter ein Problem darstellt. Vielfach wird der Markt, auf dem ein Unternehmen agiert, zu eng definiert. Doch klassische Marktabgrenzungen oder Ressortzuteilungen funktionieren im digitalen Zeitalter nicht mehr. Datenschützer und Wettbewerbshüter müssen hier sehr viel enger als bisher zusammenarbeiten. Markt- und Datenmacht, die daraus resultiert, dass ein Unternehmen auf verschiedenen Märkten operiert, gerät sonst aus dem Fokus. Die EU-Kommission ist zum Beispiel zu dem Schluss gekommen, dass Facebook und WhatsApp keine Konkurrenten sind, obwohl beide Kommunikationsplattformen mit direkten Netzwerkeffekten sind. Zweifel an dem Deal hat Facebook mit dem unverbindlichen Versprechen ausgeräumt, die WhatsApp-Daten von Facebook zu trennen. Jetzt prüft die Kommission, dass Facebook die Daten nun doch zusammenführt. Eine Verschmelzung hätte sie aber am besten mit einer Untersagung der Fusion verhindern können. Dies zeigt: die Kriterien für die Marktabgrenzung bei Fusionen müssen geändert werden, damit die Kartellbehörden auch die Zusammenführung von Daten, die Wirkung von Netzwerkeffekten und die Wettbewerbsbeschränkungen auf vor- und nachgelagerten Märkten erfassen.

Als Ultima Ratio wollen wir eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit im Kartellrecht verankern. Eine solche Regelung wollen wir auch auf europäischer Ebene einführen und so gegebenenfalls durch Aufspaltung der Unternehmen sicherstellen, dass sich eine übergroße Marktmacht, etwa bei Suchmaschinen, Handels- oder Kommunikationsplattformen, nicht von einem Bereich auf weitere ausweiten kann.

Schließlich wollen wir die Wahlfreiheit für Verbraucher*innen stärken. Das in der EU- Datenschutzgrundverordnung verankerte Recht auf Daten-Portabilität ist ein guter Ansatz zur Stärkung der Rechte der Verbraucher*innen und des Wettbewerbs. Wir wollen prüfen, wie man zudem die Interoperabilität zwischen digitalen Netzwerken gewährleisten kann, indem offene Standards und Schnittstellen gestärkt werden. Wettbewerb würde zum Beispiel dann entstehen, wenn Messenger-Dienste genauso untereinander kommunizieren müssten wie Email-Dienste oder Telekommunikationsanbieter. Kommunikationsplattformen mit direkten Netzwerkeffekten wie Facebook, WhatsApp, Instagram oder Snapchat werden sonst immer größer, so lange sie geschlossene Systeme bleiben.

 

Plattformen regulieren, Verbraucher*innen online schützen

Für eine neue Art der Wirtschaft brauchen wir neue Regeln im Datenschutz- und Wettbewerbsrecht und grundsätzlich eine bessere Verzahnung der verschiedenen Rechtsbereiche. Viele alltägliche Marktverzerrungen und verbraucherfeindliches Verhalten durch Unternehmen werden bislang nicht rechtzeitig oder gar nicht erfasst. Mit ihren Gesetzgebungsvorschlägen zum Europäischen digitalen Binnenmarkt hat die Europäische Kommission einen wichtigen ersten Schritt hin zu besseren und einheitlicheren Regeln für den digitalen Markt gemacht. Wir Grüne fordern allerdings deutlich mehr.

So fehlen noch immer konkrete Vorschläge zur Plattformregulierung, um etwa bei App-Stores und Online-Shoppingportalen sicher zu stellen, dass die Plattformbetreiber ihre Mittlerfunktion auf dem zweiseitigen Markt zwischen Verbraucher*innen und Anbietern nicht ausnutzen. Unser Ziel ist eine Plattformneutralität, die ihren Namen tatsächlich verdient. Es geht nicht nur darum, dass eine große Suchmaschine eigene Dienste vor allen anderen bei den Suchergebnissen anzeigt. Es geht auch darum, dass App-Stores systematisch eigene Produkte bevorzugen, konkurrierende Produkte teurer machen und damit fairen Wettbewerb ausbremsen.

Ungerechtfertigte Preisaufschläge auf Angebote anderer Anbieter müssen verboten und die Kostenstruktur den Verbraucher*innen nachvollziehbar offengelegt werden. Dies gilt nicht nur für die Anbieter aus dem Silicon Valley, sondern auch für europäische Firmen. So kam vor kurzem heraus, dass der Buchungsdienst HRS solche Hotels weiter oben anzeigt, die an ihn einen Aufschlag gezahlt haben, und nicht etwa die mit den besten Bewertungen oder günstigsten Preisen, wie suggeriert wurde. Solche erpresserischen und in der Tendenz monopolistischen Plattform-Geschäftsmodelle brauchen starke Regeln – nach der Netzneutralität muss jetzt auch eine Plattformneutralität her. Wir wollen Betreiber von Buchungs- und Vergleichsportale aller Branchen gesetzlich verpflichten, anhand eines standardisierten Kriterienkatalogs eindeutige, verständliche und mit anderen Portalen vergleichbare Informationen über das Portal zu veröffentlichen. Es muss insbesondere erkennbar sein, ob das Portal den gesamten Markt abbildet oder nur eine vorbestimmte Auswahl von Anbietern. Die Inhalte des Portals müssen unmissverständlich von platzierter Werbung abgegrenzt und nach objektiven und für die Verbraucher*innen relevanten Kriterien angeordnet werden.

Zudem ist es zwar richtig, dass bei der geplanten EU-Richtlinie für digitale Inhalte der Schutz von Verbraucherrechten mit Blick auf Gewährleistungs- und Haftungsansprüche endlich auch auf digitale Angebote ausgeweitet wird. So sollen Online-Inhalte und Software mit spezifischen Anforderungen wie einer Update-Pflicht angereichert werden, was insbesondere auch der IT-Sicherheit zu Gute kommen kann. Wir fordern auch dort verbindliche Mindeststandards, die auch dann gelten, wenn der Anbieter in seinen Geschäftsbedingungen einen Ausschluss von etwaigen Gewährleistungspflichten oder Sicherheitsstandards mit dem Kunden vereinbaren will. Ein kompletter Haftungsausschluss per Endnutzer-Vereinbarung, wie er bei Software seit Jahren üblich ist, egal wie schludrig es um die Funktionsfähigkeit oder die IT-Sicherheit bestellt ist, darf nicht mehr möglich sein.

Die neuen Rechte müssen auch dann gelten, wenn ein vermeintlich kostenfreier Dienst angeboten wird. Oft ist nämlich die Gegenleistung dort nicht Geld, sondern die Daten der Nutzer*innen. Daher muss der Grundsatz gelten, dass, wer personenbezogene Daten freigibt, um in den Genuss eines vermeintlich kostenfreien Dienstes zu kommen, dies nur unter den Voraussetzungen der Datenschutz-Grundverordnung tun kann. So darf man nicht zur Herausgabe von Daten genötigt werden, wenn sie für den angefragten Dienst funktional gar nicht relevant sind, und es muss jederzeit möglich sein, eine erteilte Einwilligung zurückzuziehen, so dass freigegebene Daten auch wieder gelöscht werden.

 

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