Handelspolitik aus dem letzten Jahrtausend

Wir schreiben das Jahr 1999: In Deutschland wird mit D-Mark bezahlt und Gerhard Schröder ist Bundeskanzler. Die EU hat 15 Mitgliedstaaten und der Vertrag von Lissabon über die Grundlagen der Union ist noch in weiter Ferne. Kurz gesagt: Eine andere Ära. Doch genau aus diesem Jahr stammt das Mandat auf dessen Grundlage die EU zurzeit mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay ein Freihandelsabkommen verhandelt.

Das bedeutet, dass die zwölf neuen Mitgliedsstaaten nie über das Verhandlungsmandat abstimmen konnten und dass dem Mandat wichtige Leitlinien aus dem Lissabon-Vertrag fehlen. Allen voran mangelt es an der Verankerung des verbindlichen Vorsorgeprinzips. Das Vorsorgeprinzip stellt sicher, dass Produkte bei uns erst auf den Markt dürfen, wenn klar ist, dass sie unbedenklich sind und schützt so Verbraucher.

Das Mercosur-Abkommen beinhaltet vor allem Exportquoten von Rindfleisch und Ethanol. Doch der Exportboom von Rindfleisch hat in Südamerika bereits jetzt zu großflächigen Abholzungen des Regenwaldes und Landkonflikten geführt. Der Deal würde diese weiter befeuern. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass gerade bei den Mercosur-Staaten der Schutz von Umwelt- und Verbraucherstandards problematisch ist. So war die Politik in Brasilien zuletzt in einen Gammelfleisch-Skandal verstrickt und hat Gesetze zum Schutz der Artenvielfalt, gegen Bodenerosion und gegen Abholzung ausgehebelt. Das macht einmal mehr deutlich: Ohne eine verlässliche Verankerung des Vorsorgeprinzips und sozialer und ökologischer Standards gehen Freihandelsabkommen zulasten der Verbraucher, der Arbeitnehmer und der Umwelt.

Nach fast 20 Jahren befinden sich die Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen nun auf der Zielgeraden. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström möchte eine Einigung noch in diesem Jahr durchboxen, damit die Wahlen in Brasilien den Abschluss nicht gefährden. Doch was lange währt wird nicht automatisch gut. Statt auf den letzten Metern zur Eile zu drängen, sollten Deutschland und die EU eine Kehrwende der Verhandlungen einleiten und für faire Handels- und Agrarpolitik eintreten. Denn so ist das Mercosur-Abkommen ein schlechter Deal für Mensch und Umwelt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Frankfurter Rundschau.

zurück