Mercosur-Abkommen: Ein Deal auf Kosten des Klimas

Von Katharina Dröge
 
Tausende rote Flecken auf Satellitenaufnahmen, die immer neue Brandherde zeigen. Rußgeschwärzte Tiere, die aus dem Regenwald flüchten. Rauchwolken über São Paulo, die den Tag zur Nacht machen. Diese Bilder haben uns im Sommer den Atem anhalten lassen: Der Amazonas brennt. 
 
Der Amazonas-Regenwald ist Weltnaturerbe, beherbergt eine einmalige Artenvielfalt und ist auch für das Weltklima von elementarer Bedeutung. Wenn der Amazonas stirbt, ist die Klimakatastrophe kaum noch abzuwenden. Die Auswirkungen der Brände sind gerade deshalb verheerend und gehen uns alle etwas an. 
 
Entsprechend groß war die internationale Bestürzung. Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete Ende August, dass alles getan werden müsse, damit der Regenwald aufhört zu brennen. Dieselbe Merkel hatte nur zwei Monate zuvor dafür gesorgt, dass Abholzung und Brandrodung weitergehen.
 
Was war passiert? Zwanzig Jahre schon hat die EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur über ein Freihandelsabkommen verhandelt. Lange Zeit stockten die Verhandlungen. Doch als der rechtsextreme Klimaleugner Jair Bolsonaro Anfang des Jahres in Brasilien an die Macht kam, waren die vielen Hindernisse auf einmal kein Problem mehr. 
 
Die EU und die Mercosur-Staaten einigten sich über den größten Handelsvertrag der Welt. Und das lohnt sich vor allem für die hiesige Wirtschaft: Beträchtliche Zölle auf Autos, Autoteile und Maschinen fallen weg, ein riesiger Absatzmarkt wird in Südamerika erschlossen. Der Preis dafür ist jedoch enorm: Tausende Tonnen neue Importe von Rindfleisch,  Zucker und Ethanol, die  neue Brände und Rodungen befeuern werden. Denn die meisten Feuer werden absichtlich entzündet, um auf den abgebrannten Waldflächen Soja anzubauen und Viehzucht zu betreiben. Schon jetzt benötigt der Soja- und Fleischhunger Europas täglich zusätzlich eine Fläche von rund 300 Fußballfeldern in Brasilien. Das Mercosur-Abkommen ist damit ein Deal auf Kosten des Weltklimas. 
 
Kurz vor der Einigung hatte Frankreichs Präsident Macron Alarm geschlagen. Gemeinsam mit anderen EU-Staatschefs schickte er einen Brief an Kommissionpräsident Juncker, mit der Bitte, das Abkommen in dieser Form nicht zu unterzeichnen. Merkels Antwort ließ nur wenige Tage auf sich warten. Auch sie schrieb Juncker und drängte auf einen schnellen Abschluss. Kein Wort zum Klimaschutz, kein Wort zum Schutz des Amazonas. Zehn Tage später war die Einigung unter Dach und Fach.
 
Entgegen aller Beteuerungen der Bundesregierung enthält das Mercosur-Abkommen keine wirksamen Klauseln, die bei fortschreitender Abholzung des Amazonas, bei Landraub an der indigenen Bevölkerung und nicht einmal im Falle eines Ausstiegs Bolsonaros aus dem Pariser Klimaabkommen Sanktionen oder eine Beendigung des Abkommens erlauben. Das musste die EU-Kommission gerade erst eingestehen. 
 
Die EU und Deutschland haben die Verantwortung, zur Rettung des Amazonas beizutragen. Mit dem Mercosur-Abkommen erreichen sie das Gegenteil, befeuern die Abholzung gar noch. Aber noch ist der Vertrag nicht in Kraft, noch hat Angela Merkel die Chance, das Abkommen im Rat der EU abzulehnen. 
 
Doch dies alleine wird nicht reichen, um die Rodungen zu stoppen. Schon jetzt werden für unser Steak Bäume gefällt, Wälder angezündet und Menschen aus ihren Lebensräumen vertrieben. Deshalb darf es keine Importe von Produkten mehr geben, für deren Herstellung Regenwald zerstört wird. Ganz egal, ob Soja und Rindfleisch aus dem Amazonas-Gebiet oder Palmöl aus dem indonesischen Regenwald. 
 
Gleichzeitig müssen sich Deutschland und die EU für ein Abkommen mit den Staaten Amazoniens einsetzen, das das Ziel hat, den Amazonas-Regenwald in seiner jetzigen Größe zu schützen. Nicht mit einseitigen Belastungen für die betroffenen Länder, sondern auch mit der Pflicht für die internationale Gemeinschaft, diese Staaten zu unterstützen und gemeinsam Alternativen zur landwirtschaftlichen Nutzung der Amazonas-Gebiete zu entwickeln.
 
Wenn Deutschland und die EU diese Schritte einleiten, dann können wir es schaffen, die schrecklichen Bilder aus dem vergangenen Sommer seltener werden zu lassen und einen Teil dazu beitragen, dass die Klimakrise nicht zur Klimakatastrophe wird. 
 
Der Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe von „Mach Et“, dem Mitgliedermagazin der Kölner Grünen.
 
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