Gastronomie & Kultur dürfen nicht die Leidtragenden sein

Zu den Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern erklären die Grünen Bundestagsabgeordneten für Köln, Katharina Dröge MdB und Sven Lehmann MdB:

„Die Explosion der Infektionszahlen macht es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern und Menschen zu schützen.
Es rächt sich jetzt bitter, dass das letzte halbe Jahr zu wenig genutzt wurde, um diese Phase der Pandemie vorzubereiten, in der Hoffnung, es werde schon nicht so schlimm kommen. Das Risiko steigender Infektionszahlen im Herbst war bekannt. Trotzdem hat die Bundesregierung im Sommer keinen klaren Plan entwickelt, der für alle transparent macht bei welchen Infektionszahlen welche Maßnahmen greifen.

Wir müssen weg von dem ad-hoc-Reaktionsmodus. Für die Bürger*innen und die Wirtschaft bedeutet dieser Kurs Chaos und Unsicherheit. Es braucht eine klare Strategie mit verbindlichen, wirksamen Schritten für die Phase des Wiederhochfahrens und starken Schutz, mit denen wir durch den Winter kommen. Das fängt mit dem überfälligen Einbau von Lüftungsanlagen in Schulen, Gemeinschaftsunterkünften, der Gastronomie an. Es geht über den besseren Schutz von Risikogruppen bis hin zu einem klaren bundeseinheitlichen Regelwerk für die Zeit nach dem Wellenbrecher.

Es darf aber nicht passieren, dass jetzt diejenigen die Leidtragenden sind, die sich in den letzten Monaten weitgehend vorbildlich an Hygieneregeln gehalten und darin investiert haben. Gastronomie und Theater, Museen und Kinos, haben ihre Arbeit durch die Einhaltung harter Hygiene-Auflagen bisher durch die Pandemie gerettet. Die Bundesregierung hat verpasst mit Untersuchungen die gesellschaftlichen Bereiche zu identifizieren, in denen die Ansteckungsgefahren gering sind. Dadurch hätten Schließungen verhindert werden können. Die jetzt beschlossenen Schließungen gefährden Existenzen. Deshalb brauchen diese Branchen massive Unterstützung. Kultur und Gastronomie sind für Köln systemrelevant.

Diese nächste Pandemiestufe muss ergänzt werden durch eine nächste Stufe der Solidarität: Es braucht Konzepte, damit die Menschen in Pflege und Altenheimen nicht vereinsamen. Es dürfen die, die schon bisher in der Luft hingen, nicht weiter alleine gelassen werden. Es braucht jetzt rasch wirksame Hilfe für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft genauso wie für die Soloselbstständigen und Startups. Wer jetzt schließen muss, muss dafür vollständig entschädigt werden. Hilfen für Unternehmen müssen so gestaltet werden, dass sie auch wirklich ankommen, das war schon in der ersten Phase ein von der Bundesregierung ignoriertes Problem.

Das Abwägen von drastischen Maßnahmen, zwischen Sicherheit, Gesundheitsschutz und Einschränkungen der Freiheit brauchen den öffentlichen Diskurs und brauchen eine parlamentarische Verankerung – auch um Vertrauen und Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten. Im neunten Monat der Pandemie dürfen Grundrechte nicht per Rechtsverordnung von der Exekutive eingeschränkt werden. Die tief in unseren Alltag eingreifenden Maßnahmen gehören jetzt endlich auf solide gesetzliche Füße gestellt. Deshalb sind Bundes- und Landesregierung gut beraten, sich des Rückhalts der Parlamente zu versichern. Die dazugehörige Debatte gehört in die Herzkammern unserer Demokratie.

Wir sollten alle auf die Einhaltung der Corona-Regeln achten, sie müssen selbstverständlich auch kontrolliert werden. Aber niemand darf die Bevölkerung unter Generalverdacht stellen und tiefe Grundrechtseinschränkungen wie sie zum Beispiel die Schleierfahndung darstellt, rechtfertigen.

Die Pandemie ist längst eine gesellschaftliche Zerreißprobe. Und auch, wenn die Zustimmung zu Einschränkungen noch hoch ist, sehen wir das Ringen in Familien, um den richtigen Weg, die Sehnsucht von Menschen nach direktem Austausch, die Sorge vor Ansteckung, die Angst um die berufliche Existenz, das Zermürbende, weil es keine Perspektive zu geben scheint.
Es ist richtig, dass Schulen und Kitas offen bleiben. Aber bessere Schutzvorkehrungen sind dringend nötig.“

 

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